Edi Huber – Regisseur und Schauspiel-Legende

„Eine grosse Kiste“. So bezeichnete Regisseur Edi Huber seine letzte Inszenierung bei der Theatergruppe Friesenberg. Nicht weil er zum letzten Mal Regie führte, und auch nicht weil es sich beim Stück „Drei Männer im Schnee“ um einen Klassiker handelte. Vielmehr verwies er auf den grossen Aufwand für Bühnenbau, Kostüme und das ganze drum herum, spielte das Stück doch in den 50er-Jahren. Eine Zeit, in der fliessend warmes Wasser noch ein Luxus war, in der das Rollenbild für Ehepartner noch in Stein gemeisselt schien und in der die Schauspiel-Karriere des Edi Huber noch in den Kinderschuhen steckte.

 


 

Vom Schriftsetzer zum Schauspieler

Eduard Heinrich Huber, geboren am Valentinstag 1927, träumte schon im Kindesalter davon, einmal auf der Bühne zu stehen. Doch bis es so weit war, musste sich der junge Eduard gedulden. Nach der Schulzeit begann er eine Lehre als Schriftsetzer. Diesen Beruf übte er aus bis er 32 war. Seinen Traum von einer Karriere als Schauspieler gab er während seiner Zeit als Schriftsetzer nicht auf. Er nahm privaten Schauspielunterricht beim Schauspieler-Ehepaar Ellen Widmann und Adolf Manz sowie bei Heinz Woester. Alle drei mit Erfahrungen an den grossen Schauspielhäusern des deutschsprachigen Raumes.

1959 war es dann soweit: In Ivan Turgenews „Ein Monat auf dem Lande“ gab Eduard Huber sein Schauspieldebut. Der Durchbruch gelang ihm vier Jahre später. Als Jerry in Edward Albees „Zoogeschichte“ überzeugte er neben dem Publikum auch Regisseur Karl Suter. Dieser engagierte ihn anschliessend für das Gaunermusical „Bibi Balù“ im Theater am Hechtplatz. Ein Engagement mit weitreichenden Folgen.

„Ganoven-Edi“ aus der Zürcher Unterhaltungsmafia

Plötzlich war er ein Teil der Zürcher Unterhaltungsmafia, wie das erweiterte Ensemble um die berühmten Volksschauspieler Ruedi Walter, Margrit Rainer und Jörg Schneider damals genannt wurde. Die Unterhaltungsmafia klang weitaus gefährlicher, als sie war. Jörg Schneider beschrieb sie in seinem kürzlich veröffentlichten autobiographischen Buch so: „Heute weiss man, dass das einzige Verbrechen der Zürcher Mafia die Tatsache war, viele erfolgreiche Produktionen auf die Bühne gebracht zu haben. Und das immer nach der Devise: Never change a winning team.“

Und zu diesem Team gehörte Eduard Heinrich Huber, oder wie er ab nun genannt wurde, Edi Huber.

Später verlieh ihm die Boulevardpresse, seiner Bösewichts- und Gaunerrollen wegen, den Übernahmen „Ganoven-Edi“. Mit „Golden Girl“ und „Viva Banana“ folgten weitere Kassenschlager. Edi Huber, der sich eigentlich als Charakterschauspieler sah, war zum Volksschauspieler geworden. Später beschrieb er diesen Schritt als Fehler, da es nie einen Weg zurück gab. Viele Zuschauer und natürlich auch die Theatergruppe Friesenberg (TGF) sind heute unendlich froh, dass Edi damals diesen „Fehler“ beging.

Schwierige Zeiten

Trotz der Erfolge hatten es Volksschauspieler damals alles andere als leicht. War der Terminkalender in einem Jahr voll mit Tourneedaten, wie 1977 als Edi Huber als Designer in „Der müde Ehemann“ seinen grössten Erfolg feierte, folgten immer wieder längere Durststrecken zwischen den Engagements. Er jobbte als Barmann, war Fotomodell, verkaufte Parfüm oder war als Lagerarbeiter tätig. „Für keinen Job war ich mir zu schade“, sagte Huber 2007 in einem Interview mit dem „Tages-Anzeiger“. „Ich wollte am Monatsende immer meine Rechnungen bezahlt haben“.

Die letzten grossen Erfolge feierte Edi als Bunker-Willy in der legendären Niederdorfoper. Viermal wirkte er im illustren Ensemble um Ruedi Walter mit. Mit der Derniere der Produktion von 1989 endete auch die Schauspielkarriere des Edi Huber – vorerst zumindest. Dafür tat sich ein neues Türchen auf. Als Redaktor des „Quartieranzeigers Unterstrass und Oberstrass“ schrieb er während drei Jahren pointierte Kolumnen über die kleinen Tücken und Freuden des Alltäglichen. Die Kolumnen wurden später zusammengetragen und in einem Buch veröffentlicht.

Von der Bühne auf den Regiestuhl

Trotz seiner neuen Rolle als Journalist, liess das Theater Edi nicht los. Kurz nach seinem Rücktritt von der Bühne sprach ihn eine Bekannte an, die bei der Reganbühne in Regensdorf engagiert war, ob er nicht Regie führen wollte. Er wollte. 1990 inszenierte er mit den Regensdorfern das Stück „Zum Tüüfel mit em Sex“. Die Aufführungen wurden zu einem grossen Erfolg. Das wussten auch die Verantwortlichen der Reganbühne und liessen Edi Huber nicht mehr gehen. Bis 2008 war er für alle Inszenierungen der Gruppe verantwortlich. Den grössten Erfolg feierte die Reganbühne 1994, als das Stück „Träffpunkt Kap Horn“ vom Schweizer Fernsehen aufgezeichnet und in der Samstagabend-Senderreihe „Volkstheater-Festival“ ausgestrahlt wurde.

Auch die Theatergruppe Friesenberg wurde auf Edi Huber aufmerksam und konnte ihn 1992 für die Produktion „D’Spezialprob“ gewinnen. Danach folgten Inszenierungen mit anderen Regisseuren. Bei „Alles uf Chrankeschii“ 1995 erwies sich die Wahl des Regisseurs als Fehlgriff. Rund einen Monat vor der Premiere suchte man verzweifelt nach einem Regisseur, welcher die drohende blamable Aufführung noch retten kann. Es folgten unzählige Telefonate mit ebenso vielen Absagen. Die letzte Chance: Edi Huber. Doch der ehemalige Profi-Schauspieler hatte keinen festen Wohnsitz in der Schweiz und war nicht aufzufinden – bis ihn jemand zufälligerweise in einer Beiz sah.

„Edi, ruf uns dringend an“

Da war es an der Zeit, zu unorthodoxen Mitteln zu greifen. In sämtlichen Bars und Beizen im Quartier wurden den Wirten kleine Zettelchen verteilt, mit der Anweisung, diese an Edi Huber weiterzureichen, sollte er vorbeikommen. Der genaue Wortlaut auf dem Zettelchen ist nicht überliefert, dürfte aber in etwa so gelautet haben: „Edi, bitte ruf uns dringend an. Theatergruppe Friesenberg“. Einen halben Tag später klingelte das Telefon.

Nach einiger Überzeugungsarbeit sagte Edi zu, die Regie zu übernehmen, auch wenn er nicht an einen Erfolg der Produktion glaubte. Seine einzige Bedingung: Im Programmheft soll sein Name nicht erwähnt werden. Aus diesem Grund findet man heute in den Aufzeichnungen zu jener Produktion unter dem Vermerk Regie das Pseudonym „Edi Helfer“.

„Amateure, keine Laien“

Ab 1995 übernahm Edi Huber dann auch bei der Theatergruppe Friesenberg fix die Rolle des Regisseurs. Und auch hier führte er den Verein zum Erfolg. Im Jahr 2000 durfte das Ensemble mit der Produktion „Eine Leiche auf Abwegen“ zweimal im Bernhard-Theater auftreten. In den Berichterstattungen mit den lokalen Medien betonte er immer wieder, wie viel Spass es ihm mache, mit Nicht-Profis zusammenzuarbeiten. Und stets korrigierte er die Journalisten, wenn sie von Laiendarstellern sprachen. „Das sind keine Laien, das sind Amateure“, pflegte er jeweils zu sagen. „Laien laufen so.“ Und dann zeigte er den typischen hölzernen Gang vor, den er auf der Bühne auf keinen Fall sehen wollte. Genauso wichtig, wenn nicht sogar am wichtigsten, war Edi stets das Sprachliche. Falsche Betonung korrigierte er – wenn es sein musste – hunderte Male. Immer wieder wies er seine Schützlinge an, laut und deutlich zu sprechen, so dass auch die Zuschauer in der hintersten Reihe verstehen, um was es geht.

Als Beispiel seien nachfolgend ein paar Auszüge aus dem Standard-Vokabular des Edi Huber aufgeführt. „Da muesch es Zäsürli mache“; „Es heisst VERSCHIDE behandle, nöd verschide BEHANDLE“ (die Wörter sind austauschbar und können auf jeden beliebigen Text angepasst werden); „Han nüt verstande“; „Nöd umegwaggle“; „Kei Grimasse mache, das gseht laiehaft us“; „Das ganze muess läbe, nöd eifach dä Text abeläse“; „Nöd mit dä Händ umefuchtle, ganz ruhig stah bliibe“; „Das ganzi gaht mir jetzt z’gschnell“; „Chömed, Lüüt, spiled Theater“. Diese Sätze gehörten zur Probe dazu, wie das Reiheli Schoggi und das Fläschchen Cola, dass er zur Stärkung jeweils dabei hatte.

Letzte Rollen

Bis 2008 inszenierte Edi Huber sowohl in Regensdorf wie auch im Friesenberg jedes Jahr ein lustiges Stück. Das bedeutete bis zu vier Proben die Woche. Dann gab er die Regiearbeit bei der Reganbühne auf, war aber 2010 bei der allerletzten Produktion des Vereins nochmals als Regisseur tätig. Der Theatergruppe Friesenberg blieb er erhalten und warf drei Mal gar sein Grundprinzip „Ein Profi steht nie mit einem Amateur auf der Bühne“ über den Haufen. 2008 übernahm er die Rolle des Gusti Häfeli im Stück „Manne und anderi Irrtümer“, 2009 war er in „Uf Bali und zrugg“ als Kapitän Ludwig von Ballheim zu sehen und 2011 verkörperte er Bill Mc Gregor in „Dinner mit Chaos“.

2015, im Alter von 88 Jahren, führte Edi Huber das letzte Mal Regie bei der TGF. „Drei Männer im Schnee“ wurde, wie alle seine Inszenierungen, zu einem grossen Erfolg. Nach über fünf Jahrzehnten auf den Brettern, die die Welt bedeuten, nahm Edi Huber an der Derniere vom 28. März 2015 Abschied von der Bühne.

Es war ein bewegender Moment. Normalerweise ist die Derniere die letzte Aufführung eines Theaterstücks, doch diese Derniere war auch das Ende von der Regie von Edi Huber. Nach über 20-jähriger Regiearbeit bei der Theatergruppe Friesenberg trat der ehemalige Profi-Schauspieler 88-jährig altershalber zurück.

Am Ende der Derniere wurde er mit grossem Applaus und einer Standing Ovation vom Publikum und den Mitgliedern des Vereins gebührend verabschiedet. Zum Dank überreichte ihm der Verein ein überdimensionales Ticket, das ihn zu unlimitierten Besuchen der Vorstellungen der Theatergruppe Friesenberg sowie zu den Generalversammlungen einlädt.

Wir sind sehr stolz, dass wir diesen Abschied, dessen Inszenierung im Vorfeld zwar bis ins Detail besprochen und geplant wurde, aber nicht wirklich geprobt werden konnte – Edi hatte keine Ahnung, was ihn erwartete –, so perfekt umsetzen und für die Nachwelt festhalten konnten.

Anfangs 2016 stand Edi Huber der Theatergruppe Friesenberg nochmals als Sprecher zur Verfügung, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt die Gesundheit bereits stark zu schaffen machte. Für die Aufführungen von „Säg doch eifach ja!“ wurde eine Reihe von Werbespots gedreht, die sich auf unterhaltsame Weise dem Thema Liebe widmeten. Edi Huber sprach dazu, nicht zum ersten Mal, die benötigten Texte ein – in geschliffenem Deutsch.

Edi Huber im Radio

Am 4. April 2016 widmete das Schweizer Radio SRF Edi Huber eine Folge der Sendung „Menschen und Horizonte“. Darin sprach Edi Huber darüber, wie er heute noch auf seine Gauner-Rolle angesprochen wird, warum ihm die ganz grosse Karriere verwehrt blieb und wie ein Besuch im Hallenbad Altstetten sein Leben vom einen Tag auf den anderen veränderte. Natürlich kam er auch noch auf seine Regiearbeit bei der Theatergruppe Friesenberg zu sprechen.

Gekürzte Sendung „Menschen und Horizonte“ (ohne Musikeinspielungen). Die Originalsendung von Schweizer Radio SRF in ungekürzter Fassung finden Sie hier.

Edi Huber verstirbt mit 89 Jahren

Nur wenige Wochen nach seinem Abschied von der Bühne ging es Edi Huber gesundheitlich zunehmend schlechter. Am 16. August 2016 verstarb er in Zürich im Alter von 89 Jahren.

„Edi war nicht nur ein ausgezeichneter Regisseur, sondern auch ein wunderbarer Mensch. Er war ein Mann, der für das Theater lebte. Wir werden ihn vermissen.“ — Uschi Häberli, damalige Präsidentin der Theatergruppe Friesenberg

Zum Gedenken an „unseren Edi“ stellten wir eine Hommage ins Netz, ein Video, dass bis heute über 2500-mal abgespielt wurde.

Wir sagen Danke, Edi, dass Du uns über 20 Jahre lang begleitet und zum Erfolg geführt hast. Auch wenn Du jetzt das Zepter übergeben hast, so wird Dein Stil noch lange zu erkennen sein – und das ist gut so.

Auch die Presse gedenkte dem verstorbenen Regisseur und Profi-Schauspieler mit entsprechenden Beiträgen: