Bon jour, liebe Theaterfreunde!
Vicky alias Anja Baumgartner und Monsieur Dupont himself Jörg Straube laden nach grandioser Saison und als Einstimmung auf die neue, auch grandiose, zu dieser, wie sie anpreisen, spannenden und lustigen Reise ein.
Einpacken unter anderem Regenschutz, feste Schuhe, Badehose, „Scharderobe“ sportlich-elegant, ID und Euro. Also da erwartet uns feuchtes, lauffreudiges und gemütliches irgendwo teilzeitlich oder gar ganzes Weekend in einem Nachbarland?! Als erstmalig Mitreisende freue ich mich auf bekannte und unbekannte TGF-ler.
Treffpunkt 7:30 Uhr beim Schulhaus Borrweg. Bei Nieselregen treffen wir gutgelaunt und erwartungsfreudig ein, schützen Gepäck und uns vor dem Nass unter dem Dach des ref. Sekretariatshauses, begrüssen die Mitunterstehenden. Wie heisst wieder wer? „Doris Müller, ich bin neu hier.“ So sind wir schon zwei Newcomerinnen!
Pünktlich startet Walti, der Chauffeur, den Car mit uns 39 Teilnehmenden. Dann beginnt die Fahrt ins Grüne, gemäss Einladung. Ins Grüne nicht ins Blaue? Wir fahren Richtung Norden.
Anja und Jörg begrüssen uns nun offiziell. Das Reisemotto „Ehe“. Vickys Göttergatte Alex hütet das Baby und Monsieur Dupont freut sich auf den Flughafen Zürich. Es gehe nach Nizza, erzählt Jörg, wo eine Yacht uns erwartet, um uns ins Luxushotel zu fahren. Also eine verspätete Hochzeitsreise ohne Bräutigam, der hat familiäre Verpflichtungen als Erzeuger. Upps, aber warum fährt der Car nun am Flughafen vorbei? Unser Flug sei gecancelt worden und heute besteht keine Möglichkeit mehr für einen Ersatzflug. Die Organisatoren suchen fieberhaft nach einer neuen Lösung – was natürlich unter allgemeinem Gelächter mit grossem Applaus quittiert wurde.
Ich schau mir die Strassenschilder an: „Grand Route“, alle Richtungen, Schaffhausen? Das „richtige“ Programm fürs Wochenende wird verteilt – falten müssen wir dieses selber, die Instruktion bekommen wir dazu selbstverständlich von Anja. Aber: 2¼ Stunden fahren und dann Karten lesen, das kann ja heiter werden! Anja beruhigt uns; die abgebildete Karte bedeute lediglich, dass wir hier dann etwas besichtigen werden. Was und wo soll aber weiterhin geheim bleiben. Langjährige Reisecracks wissen das, wir Neulinge nun auch.
Am Rheinfall und Schaffhausen, mit Blick von der schönen Brücke auf den Munot, vorbei Richtung deutsche Grenze. Hier Beine vertreten, Rauchopfer bringen, WC besuchen und warten bis die deutsche MwSt. von Walti entrichtet worden ist, was ziemlich viel Zeit in Anspruch nahm. Wenigstens regnete es nicht mehr. Und das Zielland war wohl jetzt auch allen klar.
Während unsere Reiseleiter gekonnt logistisch Gipfeli und Schoggistengeli in Papiersäckli füllen, verteilen und Peter trösten, dass der Kaffee nun wirklich bald komme, halte ich Ausschau: Hohenfluh - Taittingen – Donaueschingen – Stuttgart - Sindelfingen - Ulm? Die spätsommerliche sonnige Landschaft mit einem Hauch von Herbst zieht an uns vorbei. Die Strassen sind trocken, unsere Gespräche locker, befeuchtet vom Kaffee, genährt vom feinen, Blutzucker ausgleichenden, Znüni. Oberes Donautal? Immer öfter lese ich Sindelfingen; auch schon gehört, aber wo liegt das, und was gibt es dort? Keine Ahnung! Und dann die Überraschung: Wir besichtigen Schloss Sigmaringen in der gleichnamigen Landeskreisstadt in Baden-Württemberg.
Anja: „Wir (Vicky und Alex, Atréju Diener) haben es geschafft: Wir sind verheiratet und unser Kind ist gesund. s'Mami Rita (Edith Engler) war und ist extrem enttäuscht, dass wir heimlich heirateten. Nun erhält sie und ihr die Möglichkeit unsere Trauung hier im Schloss nachzuerleben.“
1077 erstmals als Burg erwähnt, entwickelte sich die Festung, hoch über der Donau auf einem Felsen erbaut, zum stattlichen Residenzschloss der Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen und ist heute noch in Privatbesitz der Nachkommen. Im Schlosshof konnte noch fotografiert werden, aber in den prunkvollen Räumen leider nicht. Den Namen „Hohenzollern“ hatte ich schon öfter gehört, dass sie mehrere Schlösser und in halb Europa regiert haben, und sogar der letzte Kaiser ein „Hohenzoller“ gewesen ist, war mir neu. Die feine Stimme im sympathischen schwäbischen Dialekt unserer jungen Führerin und die Schnelligkeit, mit der sie uns ihr Wissen übermittelte, machte es uns nicht einfach, alles zu verstehen. Jedoch die prachtvollen Räume sprachen für sich.
Vor 125 Jahren, 1893, brannte das Schloss. Sigmaringen hatte bereits eine moderne Feuerwehr mit Hydranten und langen Schläuchen. In Zürich löschte man da noch lange mit Eimer-Löschketten mit Wasser aus dem Fluss. Nur leider passten beim Brand die schlosseigenen Schläuche nicht auf die Hydranten im Ort unten. 14 Tage wurde nun mit Wassereimern von der Donau herauf das Feuer bekämpft. So brannte ein Teil des Schlosses komplett aus und lauter Zeitzeugen, die heute interessant wären, gingen verloren. Anderseits bekam das Gebäude dadurch einen „total modernen Anbau“. In der Hubertushalle erwartete uns eine umfangreiche, fast gruselige, Sammlung von Jagdtrophäen. Jedenfalls hatten die Dienstleute ihre Krucks mit den Krucken/Geweihen bis die abgestaubt waren.
„Alles in Butter“? Vor einem grossen, reichausgearbeiteten Spiegel aus venezianischem Glas stehend, wurden wir gefragt wie dieser damals wohl verpackt und transportiert wurde. In Butter! Wie lange es brauchte, bis die Bediensteten die Butter wieder runter hatten, ist leider unbekannt. In der Waffenkammer des Schlosses könne man noch vielen Redewendungen auf die Spur kommen, erläuterte Jörg, wie „von der Picke auf“, „auf grossem Fuss leben“, etc. Für dies müssen wir jedoch ein andermal herkommen.
Erlaucht bestäubt vom uralten imposanten Gemäuer, dem Wissen von 28 cm Taillenumfang in Korsetten, kunstvoll gestalteten Räumen, langen Ahnenlinien, geschickten politischen Vermählungen der Nachkommen und von starken Frauen, die ihrem Schicksal trotzen, sowie dass Vicky und Alex im fulminanten Ballsaal dem Ehebund schlossen, schlendern wir vom Schlosshügel hinunter durchs Städtele mit Samstagmarkt zurück zum Bus.
„Wir essen bei Muttern. Sprich mis Mami Rita hät öppis vorbereitet“. Schon im Bus hatten wir angekreuzt: Kässpätzle und Maultaschen waren wohl Favoriten. Gemüseteller mit Spiegelei und Bratkartoffeln war auch lecker!
Aber wo assen wir das? Riedlingen - Bingen – Egelfingen. Fahrt durch Schwäbische Tannenwald-Ebenen. Inneringen – Zwiefalten. Trochtelfingen, Albquell Bräuhaus seit 1851, im Herzen der Schwäbischen Alb. Das Bier schmeckte auch. „Hopfen und Malz – Gott erhalts“.
Gefüllt, bewässert, bebiert aber noch (fast) nicht berauscht, aber laut beschallt (Gasthaus war sehr gut befüllt) ging's weiter um 14 Uhr. Aber wohin? Anja: „In einer Ehe gibt es Höhen und Tiefen. („Bei Höhen ist mein Blutzucker wieder in Ordnung.“ Mami Rita/Edith. Gelächter!) Darum wollen wir nun in die Tiefen abtauchen, tiefe Geheimnisse erforschen, am Ende des Tunnels wieder Licht sehen. Hab hier auch äs Bärli als Beschützer für unser Kind gefunden.“
Was erwartet uns wohl? Von weitem sah ich den obersten Teil eines Riesenrades, aber Rust ist doch nicht hier – oder doch? Nein. Unser Ziel war Sonnenbühl auf der Hochfläche der Schwäbischen Alb auf 775 m.ü.M. mit der Bärenhöhle neben dem Freizeitpark Traumland. Warme Jacken an (8 bis 10 Grad) und auf geht's in das Reich der Tropfsteine, der Karls- und Bärenhöhle, diesem im 16. Jahrhundert entdeckten 271 m langen Geheimnis unter der Erde. Bei der Führung wurde erzählt: Die Entstehung vor 1,5 Millionen Jahre, vom Makkaroni-Stalaktit der in Hundert Jahren 1 mm von der Decke wächst, die Stalaktiten und Stalagmiten ca. 500 Tausend Jahre alt sind, den vielen Knochenfunden von Wildschwein, Fuchs, Wolf und viele weitere, welche durch die Decke bei Überschwemmungen gespült wurden. Auch Nashörner und Höhlenlöwen lebten hier. Die Höhlenbären lebten hier drin als Vegetarier. Daher der Höhlenname. Auch von ihnen etliche Knochenfunde und ein vollständiges Skelett eines Jungbären aus der Eiszeit vor 20 bis 50'000 Jahren. Ausgewachsen mass die Schulterhöhe 1,7 m, aufgerichtet, 3 m hoch und sie wogen bis zu einer Tonne. Vor 8'000 Jahren war die Höhle auch Heimat und Totenstätte von Höhlenmenschen. Von Dezember bis Ende Februar ist geschlossene Gesellschaft: Fledermäuse überwintern hier geschützt. Seltsame Schaufensterpuppen und weitere Kunst-Installationen (?) begegneten uns auf der Höhlenforschung anlässlich „Illumination der Bärenhöhle“. Na ja dies brachte uns zum Staunen, Schmunzeln oder Kopfschütteln. Und am Ende der faszinierenden, staunenden, lauschenden Blicke in die Tiefen der Unterwelt erwartete uns strahlendes Sonnenlicht, das Lust auf Eis und Kaffee machte. Gefühl des Jungbrunnens nach dem Auftauchen aus der Jahrmillionen alten Form- und Farbenwelt. Ja morgens ein Schloss über der Erde, nachmittags eines darunter.
Um von den Wegschildern abzulenken, gabs auf der Weiterfahrt von Jörg ein spannendes Fragequiz zu welche Produkte des täglichen Lebens welcher Grossfirma zugeordnet werden können. War sehr lehrreich! Merci beaucoup, Monsieur Duchamp! Das Schloss Lichtenstein (nein, nicht in Liechtenstein), auch als „Märchenschloss Württembergs“ bezeichnet, welches noch zu erwandern gewesen wäre, liessen wir sprichwörtlich links liegen. Allgemeiner Wunsch der meisten Carinsassen: Hotel, Wellness oder Alternativspaziergang zum Wasserfall. Nur, wo liegt das Hotel?
Um ca. 17 Uhr trafen wir in unserem Übernachtungsort Bad Urach ein, staatlich anerkannter Luftkurort und Heilbad. Wir logierten „bei“ Graf Eberhard. Nach dem Einchecken, Menü aussuchen und entsprechende Karte mitnehmen, Schlüssel und Frottee-Bade-Latschen erhalten, kam die Entscheidung zu „im Wasser“ oder „zum Wasser“.
Wasserratten mit Badeanzug konnten die AlbThermen geniessen und staatlich anerkannt, genüsslich im warmen Wasser faulenzen. Wasserratten mit festen Schuhen spazierten zum staatlich anerkannten Luftbad mit je Weg 373 Schritten durch das Maisental dem murmelnden Brühlbach folgend gegen den schönsten schwäbischen Wasserfall hinzu, der sich 37 Meter über die bemoosten Tuffsteinkante stürzt und über bemoosten Stein hinabplätschert. Wir weilten in deutscher Landschaftsromantik, gaben uns unten, neben, hinter oder unter dem lichtdurchflutenden, stürzenden Wasservorhang hin, in verschiedenen fotogenen Posen, für die Ewigkeit gebannt.
In „Scharderobe“ konnten wir das feine Nachtessen geniessen. Gemüsesuppe, Salat vom Buffet, Forelle oder nochmals Spätzle, wer noch nicht genug vom Mittag hatte, wurden mit einem feinen Schoggiglace- oder Apfelstrudel-Dessert abgerundet. Danach das obligate traditionelle „Wölfle“, welche doch etliche an einen Tisch holte. Peter als Spielleiter fungierte souverän. Jedenfalls hörte ich immer nur „mir sind jetzt im wunderschönä Urr-Dorf“ (Ur-Dorf ist gleich Urach) „und jetzt Augä zuä und schloofä.“ Schon fielen die Spieleraugen zu und somit zog es bald einige Nichtmitspielende in die Federn. Oder auch aus anderen Gründen. Unser Wyberegge genoss noch einige Absacker und konnte herzlich über Allerlei g'Schnurräts lachen. Da gab's diesen Spruch: Liebe geht durch den Magen und unten wieder raus!