Wir befinden uns in voller Fahrt, als wie aus dem Nichts auf der linken Seite eine Reitergruppe auftaucht und wild um sich schiessend neben uns her reitet. Obwohl die Wüstlinge vermummt sind, können zwei Frauen und ein Mann ausgemacht werden. Sie zwingen den Lokführer unter Waffengewalt und Androhung physischer (und – falls nötig – psychischer) Gewalt kurzerhand, den Zug anzuhalten, was dieser auch sofort tut. Die Reisegruppe beobachtet die Szene aus den Fenstern lehnend, staunend und verängstigt. Einer der Outlaws – ein Weibsbild - besteigt den Zug, offensichtlich nach einer bestimmten Person suchend. In der Hand hält die Reiterin einen Steckbrief – Fränzi Bühler wird gesucht! 10'000 Dollar sind auf ihren Kopf ausgesetzt. Kurzerhand wird unsere Puder-Fee nach draussen verschleppt und auf einen Gaul gesetzt. Doch damit nicht genug, zu ihr gesellen sich auch noch Arno „Alte Socke“ Baldinger und Päde „Späde vom Päde sim Späde“ Imhof. Obwohl ich unter Todesgefahr der Reitergruppe nachstelle und unterwegs von Klapperschlangen und Präriehunden angefallen werde, kann ich nichts ausrichten, die Freiberger Pferde sind zu schnell und verschwinden mitsamt Reitern und Geiseln im Gehölz, so wie sie gekommen sind.
Es vergeht nicht einmal eine Minute bis klar ist, wofür wir das zu Beginn ausgehändigte Geld benötigen: Um unsere drei Freunde freizukaufen und sie aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Kurz darauf erscheint das Cowgirl mit den funkelnden Augen erneut am Zug und schlägt uns den Kuhhandel Geld gegen Geiseln vor. Mit zittrigen Händen überreicht Heinz Pauli, unser für solche Krisenfälle ausgebildeter Negotiater, die geforderte Summe, und schon wenige Minuten später erscheinen die Verbrecher mit unseren Theatergspönli. Unversehrt und wohlauf sind sie, und überglücklich schliessen wir sie in unsere Arme. Dasselbe will ich auch mit den zwei aparten Gangsterinnen tun, doch ich kann meine wild-romantischen Gefühle noch knapp im Zaum halten.
Unser Zug setzt sich kurz vor 1 Uhr nachmittags in Bewegung. Die Weiterfahrt verläuft ohne Zwischenfälle. Gegen die Mittagszeit erreichen wir Saignelégier, wo uns ein Reisecar zur Auberge „Le Haneau“ chauffiert. Bei prächtigem Sonnenschein sitzen wir an der frischen Luft und – oh Wunder! – nehmen erneut Verpflegung in Form von Salat, Grilladen und Getränke zu uns.
Kurz nach 15.00 Uhr brechen wir erneut auf. Unser Ziel: Der Mont Chasseral, 1609 Meter über Meer. Unterwegs wird in Villeret Zwischenhalt für die wagemutigen Wanderer unserer Reisegruppe eingelegt, Frauen und Mannen ohne Nerven, die auf Luis Trenkers Spuren den Berg rufen hören, die unter Umständen gewillt sind, sich von Wurzeln und Beeren zu ernähren und in der Freien Natur zu biwakieren, sofern das Wetter umschlägt und ein Weiterkommen verunmöglicht sein sollte.
Die bequemeren Zeitgenossen reisen mit dem Car weiter auf den jurassischen Hausberg, wo sofort und bei schönstem Sonnenschein die Terrasse in Beschlag genommen wird.
Jeanine kämpft mit logistischen Unzulänglichkeiten. Die Zimmerreservation wurde nicht wie geplant vorgenommen, und nun gilt es, trotzdem alle TGFler politisch korrekt in ihre Zimmer einzuteilen. Meinem Scharfsinn ist es zu verdanken, dass Hans und Rösli Bont, beide weit über 80 Jahre alt, die Nacht nicht in einem 20er-Massenschlag mit Heimweh-Pfadis inkl. muffigen Socken verbringen müssen.
Mittlerweise treffen auch unsere Handvoll Wandervögel ein. Peter Kaufmann, Zugführer, erstattet Meldung:
Phase 1: Annäherung an Wanderstrecke durch Tobel. Gelände mittelsteil, In der Gruppe aufgeräumte Stimmung, alle sind beeindruckt von der Natur. Klima: windstill, trocken, kühl. Zeitaufwand: 45 Minuten.
Phase 2: Felsiges Terrain, Steilwand mit lockerem Gestein (Schichtablagerungen aus der Jurafaltung), teilweise überhängende Abschnitte, vorhandene Metalleitern im Fels werden gerne genutzt. Jungspund Silvio Bont löst einen mittleren Steinschlag aus, dem zum Glück niemand zum Opfer fällt. Ein paar Weicheier (Originalton Peter Kaufmann: „Lemminge“) nehmen eine Abkürzung durch das Bachbett. Zeitaufwand: 45 Minuten.
Phase 3: Hochplateau. Steigung mässig, viele Alpweiden, Rind- und andere Viecher. Glücksgefühl und Stolz macht sich innerhalb der Gruppe breit. Die Wanderung wurde unbeschadet und ohne Verlust von Mann und Material bewältigt. Zeitaufwand: 30 Minuten.