Reisebericht Theaterausflug 1997

Treffpunkt Borrweg, 16. August 1997, 12:45 Uhr. Alle waren sehr pünktlich, ausser unser Hr. Akademiker (vielleicht stammt der Ausspruch von akademischen Viertelsündchen von dort). Hauptsache er kam, denn ohne ihn wäre es wieder nicht möglich gewesen, Geist und Kraft unter einen Hut zu bringen, dafür sind wir auch dankbar und geduldig, was hätten wir auch mit Rosmarie gemacht!?

Bei schönem Wetter verliessen wir das Streetparade-fiebrige Zürich nach dem Mattenenglischviertel. Nachdem Judith uns ins Reisegeschehen eingeweiht hatte, fuhren wir Richtung Unwettergebiet Sarnen davon. Den beiden Organisatorinnen Judith und Giuliana sowie Heinz, dem bergkundigen Rekognostizierer ein herzliches Dankeschön. Der Mut, das Berner Oberland zu besuchen (die bringen schon gar keine Wetterberichte mehr davon), hat sich gelohnt. Trotz hohem Selbstbeitrag, überschlagsmässig gerechnet komme ich auf fast den doppelten Betrag mit all dem was geboten wurde, eine tolle Leistung, gratuliere!

Unser Chauffeur vom Winterhalter musste eine Topleistung vollbringen, um uns wieder auf die Brünigstrecke zu bringen. Da die Strecke von Sarnen nach Sachseln gesperrt war, fuhren wir um den Sarnersee, die Strecke über Wilen war durch die letzten Unwetter auch noch gezeichnet. Einige von uns trauten sich schon gar nicht mehr zum Fenster herauszuschauen, so schaukelte das grosse Gefährt über die Geröllhalden weg. Zur Belohnung besuchten wir den Landgasthof Zollhaus bei Sachseln, wo uns Wirtin Heidi Berchtold mit ihrer Crew bewirtete. Das ist ja wohl wieder ein heisser Geheimtip. Der „Früchtekuchen“ vom Heidi, einfach sensationell erfrischend! Dass Heidi nicht nur Wirtin ist sondern auch noch ein bisschen schauspielern konnte, bekamen einige zu spüren, so auch Rolf mit der falschen Brötli-Zuteilung die sie mit Blumen geschmückt und kniefallend abbringen wollte, oder nachher mit dem halben Brötlientzug, weil es für den Fahrer bestimmt war. Es war zum Schreiben, fast schon bühnenreif. Nach so einer Stärkung mit Kaffee, Kuchen und eingeklemmten Brötchen fuhren wir mit vollen Bäuchen wie im Flug über den Brünig, hinter uns lassend das wolkenumrahmte Sarnerland. Auch einige Blitze zuckten schon wieder, die armen Sarner können einem schon leid tun, kaum ist der eine „Schiff“ vorbei, kündigt sich der nächste an.

Den Brienzersee liessen wir rechts liegen, unterm Giessbach durch, Iseltwald und Bönigen hinter uns lassend, trafen wir in Matten ein. Zwischen den schönen Berner Häusern musste unser Buss sich durchzwängen, um in Richtung Tell-Spielstätte zu gelangen. Es war eine Besichtigung mit Führung durch Herrn Hermann Schneider angesagt, der wir gerne Folge leisteten. Die ausführlichen Erklärungen waren sehr interessant. Unsere Theaterleute durften auch mal einen Blick in ein fremdes Theaterleben werfen, ob Schmink-, Umkleide-, Pausen oder Stauräume, auch die Kostümaufbewahrung ist schon was für sich - vollklimatisiert! Aufmarschstrecken getrennt für Mensch und Tier (wenn's dunkel ist), und die Kulissen fest gemauert; war schon imposant von der Grösse und dem Aufwand her. Schon fast beängstigend, nur schon der Gedanke mit 18 Pferden, 13 Ziegen, 12 Kühen und 140 Akteuren auf einer Bühne zu sein. Ich leg mal meine Jubiläumsschrift 95 bei. Es ist interessant darin zu lesen. Auf Seite 13 sind noch ein paar Müsterchen wie sie eben im Theaterleben passieren (die erspare ich mir abzuschreiben). Wäre noch eine Idee, die von der TGF zusammenzutragen.

Nach der Besichtigung ging es ins Hotel Bellevue nach Interlaken nähe Aarebrücke und der Bahnlinie Oberlandbahn. Wir bezogen die Zimmer, Ehepärchen zuerst, gemischte und andere Pärchen nachher oder solche, die noch einen Zimmerschlüssel übrig hatten! Es war ein altehrwürdiges Hotel, aber die Fenster waren wenigstens Schalldicht und die Betten weich, einen Fernseher hatte es auch - es war ja Fussballmatsch! Armer Fredi, da wird nix draus.

Auf 18 Uhr war das Abendessen angesagt. Es blieb kaum Zeit sich unter die Dusche zu stellen. Aber das kennen wir ja vom letzten Mal - voll Power durchziehen. Da unterscheiden sich die beiden jetzigen Organisatorinnen von denen des letzten Mals kaum. Das Essen im Hotel war reichlich und gut, auch der Service sehr aufmerksam. Derweilen draussen das Unwetter tobte merkte beim friedlichen Schmause niemand etwas, es war nachher wieder wie wenn nichts gewesen wäre. Nur eins dünkt mich anders zu sein. Bei uns trinkt man erst mal einen Apéro in der Bar bevor man sich zum Dinieren niederlässt. Das scheinen die Interlaker nicht zu gutieren, denn die Bar blieb geschlossen - na sowas? Man verwies uns „Stürmis“ mit gestrengen Blicken in den Speisesaal, dort gebe es etwas, doch leider kam das Servicepersonal erst kurz vor dem Essen.

19:30 Uhr war bereits Abfahrt mit dem Car, einzig Albert war mit Rosmarie und dem Rollstuhl schon auf dem Weg dorthin, sie waren vor dem Bus dort. Dort angekommen wurden die Plätze verteilt und noch ein wenig herumgealbert mit Armbrustschiessen, derweilen die Vorstellung begann - das Vorspiel der Kinder und Dorfbewohner sowie das Alpabfahrt-Gebimmel im Hintergrund; es beginnt eben schon eine halbe Stunde vor der eigentlichen Aufführung und so motzten die in den hinteren Reihen, man soll doch endlich mal absitzen - aber die verflixten Nummern auf den Billetts waren schon nicht eindeutig und ohne Brille gar nicht zu lesen. Mit etwas Kletterei hat sich dann der Knäuel aufgelöst und es konnte losgehen mit dem Schiller Drama „Willhelm Tell“, eine schauerlich schöne Geschichte. Eines muss gesagt werden: Für ältere und auch jüngere Bum-Bum geschädigte, die schon nicht mehr gut hören, ist das wohl die Grenze von der Sprechbühne, denn alle haben nicht so eine kräftige Stimme, und immer unter Kontrolle „sprich laut und deutlich“ mit Blick zum Publikum hin, sobald einer seitwärts sprach war nicht mehr zu verstehen. Gut, wir kennen die Geschichte von der Schule her, aber die Sprache macht es ja eben aus, ob mit oder ohne Patzer. Wir genossen das Spiel, aber es gab kein Gesamtkunstwerk, das die Sinne berauscht. Das ist eben wieder der Vorteil vom Kleintheater - du kannst alle erreichen auch mit leisen Tönen. Das geniessen wir wieder bei der TGF und ihren Vorstellungen.

Gewisse Einzel-Schauspieler, wie die beiden Schildwachen vor Gesslers Hut, die wuchsen schon mal über sich hinaus. Gespannt waren alle auf den Apfelschuss. Da aber sehr viel gleichzeitig ablief, konnte man nur immer einen im Auge behalten. Schau ich jetzt auf den Tell oder den Walter, Pfeil oder Apfel oder lass ich mich von dem Gesslergedümmel einwickeln? Es war verzwickt, ich sagte zu Heidi, schau auf den Tell, ich schau auf den Apfel, aber das ging so schnell, dass man nichts realisieren konnte da die Dunkelheit bereits ihren Schleier ausgebreitet hatte. So fischte der Landsknecht einen Apfel mit Pfeil aus dem Hintergrund. Ob der Pfeil abgeschossen wurde konnte niemand mit Bestimmtheit sagen, die einen meinten er habe gar nicht geschossen er war ja noch am Zittern! Auf jeden Fall der Apfel war getroffen und der Wurm tot, und Walter lebte noch. Das Publikum verabschiedete sich mit tosendem Applaus von allen versammelten Schauspielern und Pferden, die Kühe waren leider schon wieder in die Höhe marschiert. Das muss noch speziell erwähnt werden: Giuli fand, die waren schön sauber geputzt und gewaschen, ganz ohne Kuhscheisse, so schön. Nur die Pferde konnten ihre „Bobelen“ nicht für sich behalten und taten die Hohle Gasse garnieren, damit der Gessler auch etwas davon hatte. Für den Tell aus Bronce vor dem Eingang musste der Günther herhalten, ob das so ein Glückstreffer war möchte ich bezweifeln, so ein anonymer Bergler wäre mit lieber.

Nach der Vorstellung hatten wir durst. Da unser Verein schon recht gross ist, stellt sich immer das Problem, wo gehen wir rein damit wir beisammen sind und schwatzen können über das, was wir gesehen haben. Unser erster Versuch war das schöne Restaurant Hirschen. Dort im Speisesaal machten wir unseren ersten Halt, mussten aber feststellen, dass wir schon die Hälfte verloren hatten. Tröstend meinte eine Dame, die finden schon Heim ins Hotel oder treffen bis zu Abfahrt ein. Dass sich der Weg von der Tellsbühne bis zum Hotel noch in die Länge zog, wurde uns klar, als wir den Heimweg antraten. Doch die Nachtschwärmer unter uns erwiesen sich als Kompetent im Gelände und wir fanden das Bellevue und sogar dessen Bar, die noch etwas leer aussah aber nicht mehr lange. Denn als wir uns installiert hatten kamen sie, einer nach dem andern herein. Bis Mitternacht waren wir wieder vollzählig, ausser denen die die Heija schon aufgesucht hatten. Wir wollten noch den Schlummerbecher und den letzten Zug abwarten. Unsere Berner Barkeeper waren wegen uns im Stress mit Lachs- und Thonbrötli zu basteln. Da wir schon um 8 Uhr zum Morgenessen erwartet wurden, zogen wir uns dann auch langsam zurück, ein Häuflein Standhafter blieb noch bis Ladenschluss.

Sonntag, 17. August, das Wetter verhüllt sich mit Nebel und Wolken, sogar ein paar Tropfen fielen. Das konnte uns jetzt noch nicht erschüttern, denn das feine Morgenessen und die Tischgemeinschaft brachte alle schon in Stimmung. Es waren sogar schon Giuli-Wetten angesagt, aber eben ja, die Nacht hat auch ihre Opfer.

So mit gutem Mut und vollem Bauch brachte uns der Bus nach Wilderswil, von wo aus wir das „Schynige Platte Bähnli“ bestiegen, welches uns in einer Dreiviertelstunde in die Höhe von 1967 m.ü.M. fuhr. Hier angelangt übernahm Heinz die Führung durch den Alpenpflanzengarten. Anschliessend zeigten sie noch eine vertonte Diaschau - gut gemacht, muss man schon sagen. Eigentlich hätten wir ja noch keinen Hunger verspürt, aber es war an der Zeit etwas zu essen. So bezogen wir das Berggasthaus um uns bei Most, Salat, Bratwurst mit Pommes und gekochten Dörrpflaumen niederzulassen. Diese Mischung kann fatal sein (es heisst ja nicht umsonst in einem Kindervers „iss Pflaumenmus weil man davon laufen muss...“). Wie wir bereits wissen, hat das auch bei uns eingeschlagen.

Der Aufbruch zum Wandern war angesagt, aber mit dem Kaffee und dem Einkassieren war halt so eine Sache. So war der arme Heinz im Verzugszwang etwas wenigstens noch zu bieten, um ja den reservierten Zug nicht zu verpassen. Also Panoramaweg ums Gummihorn bis zur Daube hin auf 2076 m.ü.M. und von hier aus teilte sich die Gruppe in Gipfelstürmer und Talgänger. Die Gipfelstürmer zogen mit Heinz über den Grat zum Oberberghorn davon, und die Talgänger spazierten über den Alpgarten zur Bahnstation zurück. Unsere tapferen Berggänger mussten ganz schön rasen um noch aufs reservierte Zügli zu kommen, für die einen war das der Höhepunkt! Die Abfahrt war auch noch durch einen Zwischenhalt unsererseits verzögert, aber die Natur fragt eben nicht nach dem Fahrplan, wenn sie sich unser bemächtigt, so kamen wir in den Breitlauenen zu einem nicht fahrplanmässigen Aufenthalt. Da ja alle abwärts gingen, war das wohl egal.

Unten angekommen war es Zeit für die Heimkehr, denn wir konnten nicht mehr über den Brünig sondern mussten über Bern dem Unwetter ausweichen, da die Brünigstrecke unterbrochen war. Um der längeren Fahrt wegen war Kaffeepause angesagt, und wir gönnten uns unterwegs an einer Raststätte noch eine Verpflegung.

Dem Busfahrer sei herzlich gedankt, dass er uns so sanft und gut nach Hause chauffierte. Unser Dank gebührt all denjenigen, die sich für dieses erlebnisreiche Wochenende eingesetzt haben. Es muss als Erfolg verbucht werden, noch mehr wäre fast schon zu viel. So bleibt uns wieder eine schöne Erinnerung an ein gelungenes, tolles TGF-Wochenende.

Reiseziel:
Brünig, Sarnen, Interlaken, Tell-Spielstätte, Wilderswil

Datum:
16. und 17. August 1997

Organisation:
Judith Pauli und Giuliana Frei

Bericht:
Max Hochreuther